Über die Ratlosigkeit der „Schlauen“

Seit Jahren warnen Politiker, Kulturwissenschaftler und andere „schlaue“ Menschen davor, dass es innerhalb der EU eine immer stärker werdende Nationalisierung gibt. Der Trend hat sich in den letzten Monaten lediglich ein wenig verstärkt und das Wachstum beschleunigt, was nicht zuletzt an der Flüchtlingsproblematik und dem Umgang der Europäischen Union lag.

Doch ist dies nicht der wahre Grund für die stärker werdenden Rufe zur Rückkehr in alte Systeme und zu mehr Autonomie der einzelnen Staaten.

Jetzt nachdem ein Mitglied der EU aus dem Verbund austreten wird, weil dessen Bürger sich in einem Referendum dafür entschieden haben, geht in der EU vor allem eins rum, Ratlosigkeit. Was soll man denn mit einem Land wir Großbritannien machen, die zweitgrößte Volkswirtschaft, ein wichtiger Beitragszahler und ein nicht gerade unwichtiges Mitglied will „plötzlich“ wieder raus aus der EU. Auch wenn das Land tief gespalten sein mag in dieser Frage und auch wenn nicht alle Einwohner bei einer so knappen Entscheidung glücklich sein werden. Die Demokratie hat gesiegt! Und Euer Job ist es jetzt den Willen des Volkes zu vertreten, auch wenn es nicht Euer Wille gewesen sein mag, aber als Volksvertreter ist es Eure Pflicht, das Volk zu vertreten!

Ich möchte die EU nicht abschaffen, ich will nicht zu Einzelstaatenlösungen zurück, aber ich möchte eine EU die Ihre Bürger nicht vergisst. Ich möchte Politiker, die tatsächlich Volks- und keine Wirtschaftsvertreter sind und ich möchte keine Zentrale Verwaltungsstelle für Gleichschaltungen, sondern eine Gemeinschaft der Vielfalt!

 


Es waren die Ungebildeten, die Naiven oder die dummen Nationalisten


Wie bei allen Entscheidungen des Volkes beginnt direkt nach der Entscheidung die Suche nach den Schuldigen, ein typisches Zeichen unserer Zeit, statt sich mit Gründen, Lösungen und Möglichkeiten zu beschäftigen, sucht man erstmal einen Schuldigen, um von sich ablenken zu können. Dein eins ist klar, Schuld sind auf jeden Fall die anderen! Interessant ist, dass es bei solchen Entscheidungensehr schnell heißt, es waren die Naiven, schlecht gebildeten, die Landbevölkerung oder die dummen Nationalisten und ewig gestrigen.

Doch ganz so einfach sollte sich das Brüssel nicht machen, auch andere Politiker sollten bei solchen Äußerungen vielleicht noch einmal nachdenken, was Demokratie eigentlich bedeutet, denn die Zeiten in denen eine hochgebildeter elitärer Adel über die dumme Unterschicht verfügt sollten eigentlich vorbei sein! Demokratie wurde eingeführt, um das Volk regieren zu lassen und das schließt alle Bildungsschichten, jede Berufsgruppe und jede Schicht eines Landes mit ein! Das allein war der Grund für die Entstehung demokratischer Staaten, doch irgendwie scheinen die großen Kriege und Probleme aus den Zeiten der aristokatischen Elitenregierungen schon so weit weg zu sein, dass sich unsere Politiker heute, ihrem Volk gegenüber wieder deutlich überlegen führen.

Wo in unserer Verfassung oder den Verfassungen der anderen EU Mitglieder steht denn bitte, dass Politik nur der Oberschicht vorbehalten ist. Doch hört man sich die Stimmen aus Brüssel und Berlin an, dann klingt es immer ein wenig so, als wenn das „einfache“ Volk – welches in Deutschland übrigens den größten Teil des Volkes und des ach so oft beschworenen Mittelstand stellt – doch besser keine Meinung haben sollte, denn dieses Volk hat irgendwie immer die falsche Meinung.

 


Wie konnte das nur passieren und was soll man jetzt damit anfangen? Erstmal drohen!


Nun fragen sie die „schlauen“ Leute in Brüssel, wie man mit dieser Situation umgehen soll, jetzt fangen sie plötzlich an über Reformen nachzudenken, Reformen, ein Wort welches die EU in den letzten Jahren so stark abgenutzt hat, dass es auch niemanden mehr wirklich interessiert. Denn wie immer werden die falschen Fragen gestellt! Wie immer redet man über Wachstum, über Chancen für die Wirtschaft und über Arbeitsplätze und Geld.

Wie immer wird nicht der Bürger gefragt, wie immer wird nicht darüber nachgedacht wichtige Entscheidungen eben nicht auszudiskutieren, bis nichts mehr davon übrig ist, sondern die Entscheidung in eine direkte Demokratie ans Volk abzugeben und die Mehrheit entscheiden zu lassen. Egal wie unbequem die Entscheidungen es Volkes seien mögen. Ist es nicht Sinn und Zweck einer Demokratie, dass das Volk regiert?

Das wäre allerdings ein Problem für Lobbyisten, denn eine Lobby kann zwar einzelne Politiker beeinflussen, Lobbyisten können auch in geheimen Räumen und stillen Kämmerlein Verträge aushandeln, aber einen ganzen Kontinent voller Menschen könnten sie nur begrenzt beeinflussen. Und schon wäre eine beliebte Nebenbeschäftigung unserer politischen Führung Geschichte, keine tollen Einladungen mehr in teure Hotels oder für Urlaube, die von einem Rüstungskonzern bezahlt werden und natürlich nichts mit versuchter Einflussnahme auf Entscheidungen bei der Gesetzgebung zu tun haben.

Statt aber nun mit der neuen Situation demokratisch, erwachsen und vernünfitig umzugehen, wird erstmal kräftig geschockt getan und dann gedroht. Von einer harten Linie gegenüber London ist die Rede, davon dass die Briten es nicht einfach haben werden und das „London schon sehen wird, was es davon hat aus der EU austreten zu wollen!“ Man schürt Ängste, droht mit Zöllen und erschwerten Bedingungen, man spricht davon gegen ein Land, welches demokratisch entschieden hat einen neuen Weg einzuschlagen, ein Exempel zu statuieren! Soweit ist es mit unserer Demokratie, so lange alles so läuft, wie sich das die Politik vorstellt, ist alles gut, aber wehe dem, der eine eigene Meinung hat, dann wird schnell vergessen, dass auch die EU sich damit brüstet demokratisch zu sein!

Dieses schüren von Angst sorgt für Verunsicherung, die EU hat in ihrer unglaublichen Arroganz vergessen sich einen wirklichen Plan für einen solchen Fall auszuarbeiten und nun will sie von ihrer Unfähigkeit ablenken, mit Angst geht das immer am schnellsten und es zeigt auch direkt Wirkung.

Im Moment hat man den Eindruck Brüssel ist ein kleines Kind und man hat ihm ein Spielzeug weggenommen, das Verhalten der alten Herren in Brüssel erinnert eher an einen Kindergarten, als an das Verhalten erwachsener Demokraten. Vergessen wir nicht, Großbritanien ist kein unwichtiger Beitragszahler, es ist die zweitgrößte Volkswirtschaft Europas und niemand kann wirklich ein Interesse daran haben, dass es den Briten schlecht geht!

 


Das Problem sind nicht die Bürger!


Fakt ist, Europa hat versagt! Versagt sich nach beinahe 60 Jahren (1957 Gründung der Europäischen Wirtschaftsunion) endlich mal zu definieren.

Die Wirtschaftsunion war eine sehr gute Idee, ein gemeinsamer Binnenmarkt, freier Warenverkehr, freies Reiserecht in der gesamten EU, die freie Wahl des Wohnsitzes, all das brachte Wohlstand, mehr Verständnis füreinander und vor allem das, was der Hauptgrund für die Gründung der EWU war, dauerhaften Frieden in Europa! Die Europäische Union hat in Europa eine Phase dauerhaften Friedens eingeläutet! Vorbei sind die Zeiten in denen ein Land mal eben alle paar Jahre in ein anderes Land einfällt.

Die Vorurteile gegenüber den Nachbarländern waren auf allen Seiten da und spürbar, doch durch ein gemeinsames Europa haben wir uns angenährt. Man muss sich nur mal vorstellen, dass es innerhalb der EU seit nunmehr 70 Jahren keinen großen Krieg mehr gegeben hat, abgesehen von ein paar kleineres Bürgerkriegen ist es verdammt friedlich geworden in Europa und das ist auch gut so! Aber es ist halt auch ein Zeitraum, den es so vorher noch nie gegeben hat , daher weiß auch niemand wie man mit so einem langen Zeitraum umgehen soll. Die EU wurde gegründet um Frieden und Völkerverständigung voranzutreiben und das hat sie mehr als erfolgreich getan.

Ich lebe heute in einer Welt in der ich ohne Probleme durch Europa streifen kann, ich kann mich frei bewegen und kann mir andere Länder selbst ansehen, mich mit unterschiedlichen Kulturen auseinandersetzen, von anderen lernen und mich darüber freuen, dass ich in einem so tollen Europa lebe!

 


Vielfalt ist die Stärke – Gleichschaltung bringt den Tod!


Innerhalb unseres Kontinent gibt es verschiedene Kulturen, unterschiedliche Meinungen, unterschiedliche Geschichten und unglaublich viel Abwechslung und genau das ist unsere Stärke gegenüber anderen Regionen. Wir haben in Europa das geschafft, wovon andere Länder träumen, wir haben es geschafft einen gemeinsamen Kontinent zu haben und zu verstehen, dass jeder seine Eigenheiten hat, aber Eigenheiten eher interessant und kein Grund für Auseinandersetzungen sind.

Doch innerhalb der EU gibt es seit einigen Jahren ein Bedürfnis der Gleichschaltung, alles wird EU weit genormt und gleichgeschaltet. Die Bildung soll vereinheitlicht werden, damit die Wirtschaft leichter vergleichen kann, gute Bildungssysteme werden verschlechtert und das nur, damit alles gleich ist.

Ein riesiger Verwaltungsapparat wurde geschaffen, der viel redet, aber in wichtigen Fragen nicht weiterkommt, er schafft einheitliche Normen standardisierte Größen für Agrarprodukte, legt für den Bürger unverständliche Regeln fest und vergisst dabei, dass wir eben nicht alle gleich sind und es auch gar nicht sein wollen! Vielfalt ist unsere Stärke, Unterschiede unser Wettbewerbsvorteil, Eigenheiten das, was unsere Kulturen ausmacht, das alles einheitlich zu verwalten und zu normieren tötet die Europäische Union und sorgt dafür, dass sich die Bürger immer weiter davon entfernen und in nationale Gedanken flüchten.

 


In einer globalen Welt sind nationale Alleingänge nicht möglich


Immer wieder ein schöner Satz, der immer dann bemüht wird, wenn man nach mehr nationaler Entscheidungsgewalt schreit. Sicher stimmt diese Aussage, aber Fakt ist, in einer globalisierten Welt verliert der Bürger den Überblick und die Politik hätte nun die Aufgabe das ganze transparent und verständlich zu erklären. Wenn das nicht mehr geht, dann ist die Welt für die Menschen zu komplex geworden und dann wird es gefährlich, denn dann gewinnen die Parteien mit den einfachen Antworten.

Es will doch auch niemand wirklich wieder einen komplett autarken Staat aufbauen, auch die Britten haben das nicht vor! Zusammenarbeit in Europa war und ist eine gute Idee, aber ich glaube selbst Winston Churill – einer der Urväter und Vordenker eines vereinten Europas – hätte niemals an eine vollständige Aufgabe der Nationalstaaten gedacht, aber genau da lief es immer weiter hin. Ein gemeinsamer Finanzminister, eine gemeinsame Armee, ein gemeinsamer Außenminister, all diese Dinge waren oder sind im Gespräch. Europa sollte politisch zu einem „großen“ Staat zusammenwachsen. Die Menschen hat man dabei vergessen, wen interessiert auch schon das bisschen einfaches Volk, wenn man an der Regierung ist.

 


Die Jugend hätte doch für den Verbleib gestimmt, die Alten sind Schuld!


Auch interessant ist, dass man jetzt sagt, die Alten hätten über die Zukunft der Jugend entschieden, die Stimen der Jugend wären nicht genug gehört worden. Na ja, vielleicht hätten dann die Jungen auch alle zur Wahl gehen sollen. Immerhin war eine Wahlbeteiligung von über 70% schon nicht schlecht, aber 30% der Wahlberechtigten sind halt auch nicht zur Wahl gegangen!

Die jüngere Generation kann sich ein Europa ohne EU nicht vorstellen, deshalb werden sie immer eher pro EU abstimmen, vor allem weil die Politik ja immer alles tut um Angst und Schrecken zu verbeiten. Die Alten können sich die EU zu gut wegdenken, daher werden sie vermutlich immer eher gegen die EU stimmen. Sie kennen die Welt ohne EU und sie wissen, dass es auch ein Leben vor der EU gab.

Aber erklärt doch mal der Generation zwischen 30 und 40, die sich wirklich mit Politik auseinandersetzt, was ihr da eigentlich den ganzen Tag macht. Die Entwicklungen in der EU sind gefährlich und ihr tut nichts dagegen außer Schuldige zu suchen.

Okay Reformen wären notwendig, aber alleine dieses Wort reicht halt nicht aus, gewöhnt Euch doch mal wieder eine Meinung an, macht Euch greifbar, dann können die Menschen Euch auch wieder besser verstehen. Ihrwollt Reformen, dann sagt doch auch welcher Art! Diese an allen Ecken und Enden weichgespülten und rethorisch feingeschliffenen Antworten bei denen ihr viel redet, aber nichts sagt, kann und will niemand mehr hören! Ich bin kein ewig gestriger, niemand der zurück in ganz alte Strukturen möchte, aber ich wünsche mir von meiner politischen Führung eine klare Meinung und eine klare Linie! Man kann sich heute schlecht daran erinnern, aber schaut Euch doch mal politische Debatten der 60er, 70er und 80er Jahre an. Vergleicht doch mal, die Arten der Argumentationen! Und fangt nicht an zu erzählen, dass die Welt damals einfacher gewesen wäre, zu Zeiten des kalten Krieges war die Welt nicht wirklich einfacher, sie war nur schlechter vernetzt.

 


Und jetzt aber schnell, schnell!!


Wie ernst sich Brüssel selbst nimmt, zeigen auch gleich wieder ersten Reaktionen auf die Entscheidung in Großbritannien! Es dauerte keine zwei Tage, da fordete man seitens der EU schon, dass sich die Briten nun auch mal beeilen sollten! Bereits am Samstag wurde diese Forderung laut. Das ist aus zwei Gründen interessant.

Erstens, ich habe noch nie erlebt, dass sich Brüssel bei irgendeiner Entscheidung mal beeilt hätte. Man sollte von einem Staat nichts abfordern, was man nicht auch selbst leisten kann und Schnelligkeit in Entscheidungsprozessen gehörte noch nie zur Stärke der Damen und Herren in Brüssel. Also warum sollten sich die Briten jetzt beeilen?!

Zweitens, und das ist noch viel lustiger, hat die EU selbst in den Verträgen von Lissabon einen Zeitraum von bis zu 2 Jahren für einen Austritt festgelegt. Der gesamte Prozess kann sich also noch zwei volle Jahre hinziehen, wie kommt Brüssel dann dazu jetzt auf einmal aufs Gas zu treten. Sie haben die Regeln doch selbst geschrieben, sie haben doch selbst darüber abgestimmt, wie lang der Prozess sein darf, sie haben doch selbst beschlossen, dass es für das Einleiten des Austritts nach § 50 keine zeitliche Vorgabe gibt. Hört Ihr Euch selber eigentlich noch reden? Ihr erlasst Regeln, Gesetzt, verhandelt und beschließt Verträge und dann, wenn es soweit ist, dann ist das plötzlich wieder unwichtig, was ihr selbst mal erlassen habt.

Da fühle ich mich doch irgendwie an der Verhalten der Notenbank in der Griechenlandkrise erinnert, die plötzlich über Umwege in unbegrenzter Zahl Staatsanleihen ankaufte und so über Mittelsmänner einem maroden Staat Geld zur Verfügung gestellt hat, für das nun der Steuerzahlen haftet. Auch da habt ihr schon die Kompetenzen überschritten, die ihr selbst festgelegt hattet.

 


Reformieren, wir nicht funktionieren! Neustarten vielleicht schon!


Die EU braucht grundlegende Reformen, darin sind sich sogar die Vertreter vieler europäischer Länder einig, doch wie will man Reformen erreichen, wenn man mit uneinigen Nationalstaaten in einer Abstimmung über Reformen abstimmt, welche die einen wollen und die anderen wieder nicht und das dann vermutlich wieder unter der Prämisse, dass grundlegende Reformen nicht in einer einfachen Mehrheitsentscheidung, sondern nur Einstimmig beschlossen werden können. Das kann nicht funktionieren!

Die EU ist in Ihrer derzeitigen Form nicht in der Lage sich aus sich selbst heraus zu reformieren, dazu bedarf es zu viel Kompromissbereitschaft, zu viele müssten, zu viel in ihren Ländern erklären, durchkämpfen und zu viele Länder hätten dann auch noch während des Reformprozesses eigene Wahlen, so dass sich die Ausrichtung der Politik der einzelnen Länder auch noch verändern würde.

Als die EWU startete, war sie klein und übersichtlich! Sie war nie als so große Institution gedacht, sie hat sich nur dahin entwickelt. Doch wenn eine solche Gemeinschaft sich nicht selbst erneuern kann, dann sollte man sie neustarten, statt sie kaputt zu reformieren und handlungsunfähig zu machen!

Ein Neustart müsste als erstes mit einer klaren Verfassung beginnen, ein Regelwerk in dem man sich auf Grundlegende Werte, Gesetze, Regeln und Mindestbedingungen einigt. Eine Verfassung, die für alle Mitglieder die Spielregeln festlegt und diese Spielregeln muss jeder, der mitspielen will kennen und sich damit einverstanden erklären! Diese Grundregeln werden den Völkern der einzelnen Mitgliedstaaten zur Volksabstimmung vorgelegt und dann wird endlich mal abgestimmt.

 

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