Wir müssen kriegstüchtig werden!

Die Welt verändert sich rasant und doch entwickelt sie sich irgendwie nicht weiter. Ich war vor 26 Jahren bei der Bundeswehr und habe meinen Wehrdienst abgeleistet, es waren die letzten Jahre der 1990er Jahre, es war die Zeit von Loveparade, Annäherung und einem stetigen Abbau von Feindbildern. Es war eine Zeit in der ich mir niemals hätte träumen lassen, dass sich jemals ein deutscher Politiker vor ein Parlament stellt und die Worte deutsche Bundeswehr und Kriegstüchtigkeit öffentlich in den Mund nimmt und dafür auch noch Zustimmung bekommt.

Der Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) baut ein Szenario auf, in dem wir kurz vor einer Invasion durch Russland stehen und der böse Osten wieder der Feind des Westens ist, die Rethorik erinnert mich stark an die Zeiten des kalten Krieges. Schon in den letzten Jahren wurde der Ton immer härter, die Zeit der Annäherung ist vorbei und unter Federführung der USA flammte der alte Streit Gut gegen Böse, Ost gegen West, Freiheit gegen Kommunismus, Demokratie gegen Authokratie oder wie auch immer man es nennen möchte wieder auf. Ich hoffe wirklich, dass es nur ein neuer kalter Krieg wird, ich hoffe, dass es nur eine Abgrenzung gibt und keinen großen Knall, auch wenn dieser 80 Jahre nach dem letzten großen Knall beinahe überfällig ist, wenn man sich ansieht, wie oft es im Laufe der Geschichte zu Kriegen auf europäischem Boden gab.


Kriegstüchtig, nicht mehr verteidigungsfähig!

Sorgen macht mir allerdings schon, dass man jetzt davon spricht, die deutsche Armee kriegstüchtig zu machen. Beinahe 80 Jahre ist der 2. Weltkrieg nun her, beinahe 80 Jahre und die Schrecken des Krieges geraten in Vergessenheit.

Ich bin kein Pazifist, kein Feind der Bundeswehr, bin mir sicher, dass Menschen leider zu dumm, zu aggressiv und zu egoistisch sind, um auf eine Armee wirklich verzichten zu können. Wir scheinen nicht für ein friedliches Miteinander geschaffen zu sein, wir scheinen nicht in der Lage zu sein, uns auf die wirklich großen Probleme zu konzentrieren und unsere Kräfte darauf bündeln zu können. Zwar erzählen wir unseren Kindern, dass Gewalt keine Lösung ist, aber ein Blick in die Medienlandschaft zeigt, dass wir es selbst nicht so zu meinen scheinen, denn die Welt ist voll von Gewalt und sie geht immer von Menschen aus, von erwachsenen, gebildeten, teilweise hoch intelligenten Menschen, die es besser wissen müssten.

Selbstverständlich fände ich es schöner, wenn wir darauf verzichten könnten und im Jahr 2024 auch endlich mal würden und ich finde es sinnvoller die unglaublichen Massen an Menschenleben, Geld und Ressourcen, die für Rüstung, Krieg und Wiederaufbau investiert werden, einfach mal in ein Weiterkommen zu investieren. Wie weit könnte die Menschheit schon sein, wenn wir das in den letzten 100 Jahren mal flächendeckend hinbekommen hätten?!

Doch leider leben wir nicht in einer perfekten Welt, leider sind wir nicht so weit weg vom Höhlenmenschen, leider bleibt Gewalt immer wieder ein Lösungsansatz und genau deswegen brauchen wir auch weiterhin Armeen.

Ein kriegsbereites Deutschland

Allerdings finde ich es erschreckend, dass ausgerechnet in dem Land, von dem niemals wieder eine Gewalt ausgehen sollte. Ausgerechnet in dem Land, das nach 1945 entmilitarisiert wurde, in dem Land in dem es beim Wiederaufbau einer Armee noch mahnende Stimmen gab, ausgerechnet in dem Land, das nur in die Lage versetzt werden sollte sich zu verteidigen, weil man diese „Abschreckung“ zu Zeiten des kalten Krieges aus Sicht der Aliierten brauchte, ausgerechnet in einem Land, das noch vor einiger Zeit den Staatsbürger in Uniform propagierte und in dem die Wehrpflicht eher eingeführt wurde, um die aufmüpfige Jugend zu disziplinieren und nicht unbedingt, um eine schlagkräftige Armee aufzubauen.

Damals hieß es, Deutschland sollte nie wieder in der Lage sein aktiv einen Krieg zu starten, es sollte maximal defensive Waffen bekommen, aber keine Offensivkräfte aufbauen können. Wir haben keine große Kriegsmarine, keine Flugzeugträger, keine große U-Boot-Flotte, keine eigenen Raketenstützpunkte mit Langstreckenraketen und wir haben keine Atomwaffen. Unsere Armee war immer gedacht als eine Armee der Verteidigung, der Brief, der an Reservisten im Ernstfall herausgeht, war der „V-Brief“, in dem der Verteidigungsfall ausgerufen werden würde.

Auch wenn sich die Aufgaben schon durch die Auslangseinsätze im Rahmen von UN Truppen oder NATO Einsätzen stark verändert hatten, war der Schwerpunkt der Armee auf weiterhin auf Verteidigung ausgerichtet


Kriege starten mit Worten und sie Enden mit Worten

Es mag an meinem Alter liegen, daran dass ich die letzten Jahre und das Ende des Kalten Krieges miterlebte, es mag daran liegen, dass mein Großvater Zeitzeuge des 2. Weltkrieges und selbst Soldat im Krieg war. Vielleicht liegt es an seinen Erzählungen aus der Kriegsgefangenschaft, aus den Berichten von zerstörter Heimat, Flucht, einem vollkommen zerstörten Leben und der Notwendigkeit eines Neuanfangs.

Ich findes es auf jeden Fall bedenkenswert, dass ich in den Nachrichten wieder Worte wie Aufrüstung, den gefeierten Spatenstich einer neuen Waffenfabrik mit Besuch des Bundeskanzlers und ganz klare Feindbilder an der Tagesordnung sind.

  • Braucht die Bundeswehr mehr Geld? Ja. Das braucht sie aber schon seit Jahrzehnten!
  • Macht es Sinn eine Armee zu haben, die das Land verteidigen kann? Ja.
  • Haben die die Verbündeten recht, dass man das 2% Ziel der NATO auch einzuhalten hat, wenn man sich schon auf so eine Vorgabe einigt und auf die Bereitschaft des Bündnisses hofft? Ja.
  • Braucht es eine kriegstüchtige Bundeswehr? Nein! Klar und unumstößlich, nein!

Kriegstüchtigkeit, wirklich?!

Laut Duden bedeutet kriegstüchtig „gut gerüstet für einen Krieg„. Tüchtigkeit beschreibt entweder eine Masse, im Sinne von viel oder im hohen Maße, wie bei „es ist tüchtig kalt“ oder es handelt sich um eine Leistungsbewertung, im Sinne von „einer Leistung von besonders guter Qualität„.

Eine kriegstüchtige Bundeswehr, wäre sowohl in der Masse ihrer Ausrüstung hochgerüstet und damit in der Lage eine kriegerische Handlung von besonders guter Qualität abzuliefern. Beides beschreibt eine Welt, die es so nie wieder geben sollte. Die Fähigkeit aktiv einen Offensivangriff gegen potentielle Feinde zu führen.

Die Wortwahl ist wichtig, vor allem auch international!

Kriege starten mit Worten! Die Wahl der Worte in der öffentlichen Kommunikation ist entscheidend und ich wünsche mir wieder mehr Maß und mehr Vorsicht bei der Kommunikation, denn irgendwann muss man wieder miteinander reden und genauso wie Kriege mit Worten starten, enden Kriege auch mit Worten. Kein Krieg endet durch einen Sieg, er endet durch die Bereitschaft zu sprechen! Der deutsche Begriff „kriegstüchtig“ hat im Englischen die Übersetzung „ready for war“ und das wiederum ist gleichbedeutend mit „kriegsbereit“ und Kriegsbereitschaft klingt nach Mobilmachung und bereit in einen Krieg zu ziehen!

Wir brauchen leider eine verteidigungsfähige Armee, sie muss gut ausgestattet sein und zwar materiell und finanziell, sie muss strategisch sinnvoll aufgebaut sein und sie muss schnell sein können. Sie braucht entsprechende Ausbildungen, sie braucht eine entsprechende Personalstärke und sie muss modern sein! Da stimme ich voll zu, aber es ist etwas anderes, sich zu verteidigen und diese Verteidigungsfähigkeit nach Außen auf darzustellen, als von Kriegstüchtigkeit zu sprechen!


Kriegstüchtigkeit ist kurz vor Kriegstreiberei!

Der Weg von einer kriegstüchtigen und für eine Offensichschlacht einsatzbereiten Armee, hin zu Kriegstreiberei und der Forderung proaktiv tätig zu werden, ist verdammt kurz! Das liegt schlicht in der Natur des Menschen und auch im Selbstverständnis militärischer Führungen, sowie dem Unwillen der Bevölkerung für eine Situation, die hoffentlich nie eintritt dennoch weiterhin Geld zur Verfügung zu stellen.

Die völlig übereilten, oftmals überzogenen und oftmals völkerrechtlich illegalen Einsätze amerikanischer Streitkräfte der letzten Jahre haben das immer wieder gezeigt und sie haben in der Regel die Welt eher destabilisiert und sie nicht sicherer gemacht. Sie boten aber immer die Möglichkeit, der Öffentlichkeit zu zeigen, dass man die Armee braucht und finanzieren muss.

Mir persönlich wäre es lieber, von einem ersten Gespräch, Diplomatie, Verhandlungen und Annäherungen zu lesen, als zu hören, dass seit 5:45 Uhr zurückgeschossen wird!

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